13.03.2018 20:00 Uhr ndr.de
Ehemaliger SS-Mann Oskar Gröning ist tot

Der frühere SS-Mann Oskar Gröning ist tot. Das hat am Dienstag das niedersächsische Justizministerium bestätigt. Es liege eine Todesbescheinigung des Krankenhauses vor, teilte ein Sprecher in Hannover Dienstagabend mit. Damit sei das Gnadengesuch an Justizministerin Barbara Havliza (CDU) überholt. Zuvor hatte der Anwalt Grönings, Hans Holtermann, am Montagabend mitgeteilt, dass der 96-Jährige bereits Ende vergangener Woche in einem Krankenhaus gestorben war - kurz vor der Entscheidung zu seinem Gnadengesuch. Gröning war einer der wenigen SS-Leute, die für ihre Beteiligung an Verbrechen im Vernichtungslager Auschwitz verurteilt worden waren.

Meldung mit internationalem Echo

Die Meldung von Grönings Tod hat innerhalb kurzer Zeit ein großes Medien-Echo ausgelöst. "Der Buchhalter von Auschwitz stirbt vor Antritt seiner Haftstrafe", titelte etwa die "New York Times". Auch die britische Boulevardzeitung "The Sun" berichtete auf ihrer Internetseite per Eilmeldung - ebenso die italienische Tageszeitung "La Repubblica" und mehrere Schweizer Zeitungen.

Verurteilt wegen Beihilfe zum Mord

Im Juli 2015 war Gröning vom Landgericht Lüneburg wegen Beihilfe zum Mord in 300.000 Fällen im Vernichtungslager Auschwitz zu einer Haftstrafe von vier Jahren verurteilt worden - ohne, dass ihm eine konkrete Tötung nachgewiesen wurde. Er habe durch das Bewachen von Gepäck und das Verwalten der Gelder der Gefangenen in Auschwitz die Morde gefördert, heißt es in dem Urteil, das seit September 2016 rechtskräftig ist.

Nebenklage: Schuld über Grenzen des Lebens hinaus

Der Kemptener Anwalt Thomas Walther, der mit einem Kollegen rund 50 Nebenkläger vertrat, äußerte sich bereits gestern Abend in einer Stellungnahme. Es sei den Hinterbliebenen der Opfer um ein rechtskräftiges Urteil gegangen. Der vom Bundesgerichtshof bestätigte Schuldspruch des Landgerichts Lüneburg bestehe nun über die Grenzen des Lebens hinaus. Die meisten Nebenkläger im Gröning-Prozess waren Überlebende von Auschwitz-Birkenau. "Es geht mir nicht um die Strafe, es geht mir um das Urteil, die Stellungnahme der Gesellschaft", erklärte die Überlebende Eva Pusztai-Fahidi damals.

Auschwitz Komitee würdigt Urteil

Auch das Internationale Auschwitz Komitee reagierte auf den Tod Grönings und würdigte das Lüneburger Urteil und dessen Bestätigung. Das bleibe für die Überlebenden "eine große Genugtuung und ein später Ausdruck deutscher Suche nach juristischer Gerechtigkeit und historischer Ehrlichkeit gegenüber ihren ermordeten Familien", erklärte Exekutiv-Vizepräsident Christoph Heubner. Gröning sei für sie einer der ganz wenigen Angehörigen der SS in Auschwitz gewesen, "der sich auf den Weg gemacht hatte, öffentlich die Wahrheit über Auschwitz zu sagen und sich selbst und die deutsche Gesellschaft mit seinen Erinnerungen zu konfrontieren". "Gerade diese Haltung, die dennoch im Blick auf seine persönliche Verantwortung und seine Entscheidungen halbherzig blieb, macht noch einmal deutlich, dass der übergroße Teil der SS-Täter und Mittäter von Auschwitz weder ein Unrechtsempfinden besessen hat, noch sich je vor einem deutschen Gericht hat verantworten müssen", erklärte Heubner.

"Seiner gerechten Strafe entgangen"

Das Simon-Wiesenthal-Zentrum, das sich gegen Antisemitismus und Holocaust-Verleugnung einsetzt, bedauerte hingegen, dass Gröning nicht mehr ins Gefängnis kam. Das wäre symbolisch wichtig gewesen, sagte Zentrums-Leiter Efraim Zuroff. Das Schicksal habe es gewollt, dass er seiner gerechten Strafe entgangen sei.

Erstes Gnadengesuch abgelehnt

Gröning hatte zuletzt Gnadengesuche gestellt, aktuell sollte die niedersächsische Justizministerin Barbara Havliza (CDU) darüber befinden. Mitte Januar lehnte die Staatsanwaltschaft Lüneburg ein erstes Gnadengesuch des 96-Jährigen bereits ab, mit dem er einen Haftantritt abwenden wollte. Davor hatte das Bundesverfassungsgericht nach Grönings Beschwerde einen Haftaufschub abgelehnt.

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