10.12.2019 - 18:11 Uhr bild.de
Prozess um Akte von NS-Verbrecher Alois Brunner

Alois Brunner war einer der schlimmsten Nazi-Verbrecher. Laut dem Simon-Wiesenthal-Zentrum war der gebürtige Österreicher und SS-Kommandeur Brunner für die Deportation von 128 500 Juden aus Österreich, Griechenland, Frankreich und der Slowakei verantwortlich. Vor Gericht verantworten musste sich der NS-Verbrecher nie. Er tauchte unter falschen Namen in Deutschland unter, lebte danach viele Jahre in Damaskus.

Neue Erkenntnisse über seine Fluchthelfer könnte die Akte über Alois Brunner bringen, die beim Bundesamt für Verfassungsschutz liegt. BILD kämpft seit 2012 um die Herausgabe der Geheimdienst-Dokumente. Am Mittwoch verhandelt das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig über den Fall.

Zuletzt hatte das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen in Münster nach einer BILD-Klage entschieden, dass der Verfassungsschutz zumindest die Teile der Brunner-Akte freigeben muss, die älter als 30 Jahre alt sind. Dagegen legte der Verfassungsschutz Revision ein.

Der Zentralrat der Juden fordert, dass die Akten endlich offengelegt werden.

Zentralratspräsident Dr. Josef Schuster (65) fordert gegenüber BILD: „Es ist höchste Zeit, dass die Akte des NS-Verbrechers Alois Brunner der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird und sie erfährt, was den Behörden über den Massenmörder bekannt war. Es darf nicht sein, dass die Unterlagen zu Alois Brunner weiterhin unter Verschluss gehalten werden und das Ende der Aktensperre immer weiter hinausgezögert werden kann. Dass die Öffentlichkeit auch heute, fast 75 Jahre nach Kriegsende, noch darüber im Dunkeln gelassen wird, was die Behörden über den SS-Mann wussten, ist skandalös.“


Bis 1954 lebte Brunner unter falschen Namen in Essen, tauchte danach in Syrien unter. Die genauen Umstände seiner Flucht und seiner Unterstützer sind bis heute unklar. Trotzdem weigert sich das Bundesamt für Verfassungsschutz seine Akte über Alois Brunner zu öffnen. Der 1912 in Österreich geborene Brunner soll 2001 in Damaskus gestorben sein. Eine offizielle Bestätigung dafür gibt es nicht. Zur Ergreifung von Brunner war eine Belohnung von umgerechnet 255 000 Euro (500 000 DM) ausgelobt.

Christoph Heubner, Vizepräsident des Internationalen Auschwitz Komitees, erklärte vor Prozessbeginn in einer Pressemitteilung: „Seit Jahren versucht das Bundesamt für Verfassungsschutz die begehrte Akteneinsicht des Journalisten durch immer neue Winkelzüge zu unterlaufen und die entsprechenden Akten und damit sich selbst und Alois Brunner zu schützen.“

Heubner weiter: „Für Auschwitz-Überlebende ist dies ein skandalöser und empörender Vorgang, der kein gutes Licht auf Deutschland wirft. Es wäre fatal, wenn der Eindruck bestehen bliebe, dass das Vertuschen und Verdrängen der Nazizeit und ihrer Verbrecher bis in die heutigen Tage fortgesetzt wird. Sie hoffen deshalb sehr, dass das Bundesverwaltungsgericht im morgigen Prozess dieses würdelose Taktieren des Verfassungsschutzes beendet und die Akten zu Alois Brunner dorthin befördert, wohin sie gehören: In die Hände der Öffentlichkeit.“

Die blutige Spur dieses Schreibtisch-Mörders zieht sich, so Heubner, von Wien über Berlin, Saloniki in Griechenland, Paris und Südfrankreich bis nach Sered in der Slowakei: Unter anderem ließ er noch im Juli 1944 in Paris 1327 jüdische Kinder verhaften und deportieren, in Sered fielen bis zum Februar 1945 seinem Befehl zur Deportation nach Auschwitz 12 000 jüdische Menschen zum Opfer.

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