13.12.2018 - 12:23 Uhr bild.de
Prozess gegen ehemaligen SS-Wachmann ausgesetzt
MICHAEL ENGELBERG, H. W. Saure und FRANK SCHNEIDER

R. wird Beihilfe zum hundertfachen Mord vorgeworfen. Er war von 1942 bis 1944 als SS-Wachmann in Stutthof (bei Danzig) eingesetzt. In seiner Einlassung hatte R. vor dem Landgericht M?nster gesagt, von systematischer T?tung in dem Lager nichts mitbekommen zu haben.

Doch nach dem sechsten Verhandlungstag hatte er stark abgebaut, liegt jetzt mit einer Herzinsuffiszienz in der Klinik. Gutachter Dr. Tilman Fey (54) vor Gericht: „Die Herzschw?che ist eklatant. Der Angeklagte liegt in der Klinik meist im Bett, wird zum Essen an den Tisch gesetzt. Der Zustand f?hrt zur Verhandlungsunf?higkeit. Es ist gut m?glich, dass er dauerhaft verhandlungsunf?hig sein wird.“

Zur Herzschw?che komme auch ein Nierenleiden, so der Gutachter. Der Mediziner: „Man kann nur die Auswirkungen kompensieren. Der Angeklagte bekommt Tabletten, die Wasser aus dem K?rper entziehen.“ Er schlug vor, Dr. Johann R. in zwei bis drei Wochen neu zu begutachten.

Oberstaatsanwalt Andreas Brendel nach dem Prozess zu BILD: „Der Rechtsstaat sieht die Verfolgung von NS-Straft?tern vor. Der Rechtsstaat hat aber auch auf der anderen Seite hinzunehmen, dass eine Verhandlungsunf?higkeit eintritt. Das haben wir jetzt zu akzeptieren. Wir sind da nat?rlich auf die Beurteilung der Sachverst?ndigen angewiesen.“ Der Richter hat Wert darauf gelegt zu betonen, dass das Verfahren nicht endg?ltig beendet ist.

Rechtsanwalt Onur ?zata vertritt das Ehepaar, Rivka (90) und Moshe (91) aus Israel. Beide waren ab Sp?tsommer 1944 Gefangene im KZ Stutthof. Er zu BILD: „Wir haben es mit hochbetagten Angeklagten zu tun. Die Verhandlungsunf?higkeit h?ngt stets wie ein Damoklesschwert ?ber diesen Verfahren. Es ist nichts, was nicht zu erwarten war. Meine Mandanten h?tten sich aber sicher gew?nscht, dass das L?gengeb?ude, dieser Art T?ter einst?rzt. Diese M?rchen, dass sie beispielsweise nicht freiwillig zur SS gegangen sind, dass sie nichts mitbekommen haben wollen und auch da nicht wegkonnten, sind weit verbreitet. Ich bef?rchte, dass dies das endg?ltige Ende des Prozesses war, weil der Mann tats?chlich sehr krank ist.“

BILD sprach nach dem Prozess auch mit Christoph Heubner, dem Exekutiv-Vizepr?sident des Internationalen Auschwitz Komitees. Seine Einsch?tzung: zu BILD „Der Angeklagte hat auch nach einem langen und f?r ihn friedlichem Leben nicht die Kraft und die Gr??e gefunden, sich ehrlich seiner Geschichte als SS-Mann in Stutthof zu stellen. Seine scheinbare Naivit?t war angesichts dessen, was vor seinen Augen in Stutthof geschehen ist, nur schwer auszuhalten.“

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